Tötung eines Menschen in psychischer Ausnahmesituation durch die Frankfurter Polizei

Stellungnahme von copwatchffm, dem Frankfurter Forum für psychische Krisenbewältigung und Fridays for Future Frankfurt

Am 30. Januar 2024 wurde ein 40-jähriger Mensch in Frankfurt-Sachsenhausen von Beamten der Frankfurter Polizei getötet.

Zuvor hatte er mit einem Messer zwei Frauen attackiert und eine von beiden verletzt. Beide Frauen konnten sich nach dem Angriff glücklicherweise in Richtung eines Hotels retten.

Nach Eintreffen am Tatort machten gleich drei (!) Beamte von ihrer Schusswaffe Gebrauch. Und zwar so, dass nicht nur der 40-Jährige derart am Oberkörper getroffen wurde, dass er kurz darauf verstarb. Auch eine unbeteiligte Person wurde (vermutlich durch einen Querschläger) verletzt.

Im vorläufigen Obduktionsberichts spricht die Staatsanwaltschaft nur davon, dass ein Schuss in die linke Brust todesursächlich gewesen sei. Unklar ist, ob die Person noch von weiteren Schüssen getroffen wurde. Anwohner*innen hatten Pressevertreter*innen gegenüber übereinstimmend von vier Schüssen berichtet.

Für uns stellen sich viele Fragen:

  • Wieso haben die beteiligten Beamten in einer Situation, in der sie deeskalieren und für mehr Sicherheit sorgen sollten, einen Menschen getötet und einen weiteren verletzt?
  • Wieso war, der tödlichen Folge nach zu urteilen, keine Person vor Ort, die im Umgang mit Menschen in psychischen Krisensituationen erfahren und kompetent ist? Wieso wurde keine entsprechende Person hinzugezogen?
  • Mit welchen Vorstellungen gingen die Beamten in den Einsatz? Hat der Umstand, dass sie sich mit einer migrantischen und rassifizierten Person konfrontiert sahen, ihre Entscheidung zur Gewaltanwendung beeinflusst?
  • Da der getötete Mann in einer betreuten Einrichtung für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen lebte, stellt sich auch die Frage nach der psychiatrischen Versorgung in Frankfurt. Gab es vorab Anzeichen einer akuten Krise und wenn ja: wie wurde damit umgegangen?

Leider sind diese Fragen schwer zu beantworten, weil in Frankfurt bislang keine Transparenz darüber angestrebt wird.

Der Gemeindepsychiatrische Verbund, der schon seit langem in Planung ist, soll bald zwar endlich erstmalig einberufen werden. In dem in Frankfurt dem Namen nach nicht bekannten Gremium nach PsychKHG § 6 Absatz 3 mit seinen „Koordinierungstreffen“ von Sozialpsychiatrischem Dienst, Kliniken, Ordnungs-behörden, Amtsgericht und Psychiatriekoordinatorin, das primär dafür zuständig wäre, sind Selbsthilfe oder Angehörige jedoch gar nicht erst vertreten.

Auf eine eher allgemein gehaltene Liste mit Nachfragen zu den gemeindepsychiatrischen Hintergründen der Tat erklärte das Dezernat für Gesundheit und Soziales der Stadt Frankfurt, der Vorfall sei „noch nicht im Detail aufgeklärt“, will aber die Fragen danach beantworten.

Wir fordern:

  • Wir fordern eine transparente Aufklärung der Umstände, die zu dem Tod des 40-Jährigen führen konnten. Die Aufklärung soll durch unabhängige Stellen erfolgen.
  • Die an dem Einsatz, aber auch an der Aufklärung beteiligten Verantwortlichen sollen sich kritisch mit der eigenen rassistischen und/oder ableistischen Sozialisierung auseinandersetzen.
  • Wir fordern entsprechende Konsequenzen, die dafür sorgen, dass sich solche „Einzelfälle“ endlich nicht mehr wiederholen! Wir fordern, dass dabei Betroffenen, Angehörigen, Selbstorganisationen und Selbsthilfe zugehört, ihren Erfahrungen geglaubt und sich an ihren Bedürfnissen und Einschätzungen orientiert wird.
  • Wir fordern die Einrichtung eines aufsuchenden 24h/7d-Krisendienstes, denn psychische Krisen halten sich nicht an Bürozeiten!
  • Wir fordern die Einrichtung eines spezialisierten Krisendienstes, um Gefahrensituationen schnell und ohne Gewaltanwendung zu deeskalieren. Wir brauchen eine Alternative zur Polizei in diesen Situationen, da die eingesetzten Beamt*innen offenbar immer wieder überfordert sind und tödliche Gewalt anwenden.
  • Wir fordern eine an den Bedürfnissen der Nutzer*innen orientierte Verbesserung der therapeutischen und psychiatrischen Versorgung in allen Bundesländern und Kommunen.
  • Wir fordern eine kritische Reflexion der Berichterstattung über Menschen mit psychischen Erkrankungen und in psychischen Krisen.
  • Wir fordern eine konsequente Auseinandersetzung mit dem Rassismus innerhalb der Polizeibehörden und Innenministerien, anstatt das Thema immer wieder schönzureden und wegzuleugnen.

Kein Einzelfall

Der Tod des 40-Jährigen, der am 30. Januar 2024 von Polizeibeamten erschossen wurde, ist kein Einzelfall.

In Frankfurt kommt es immer wieder zu Fällen von tödlicher Polizeigewalt gegen von rassistischer Diskriminierung betroffene Menschen in psychischen Ausnahmesituationen. So wurde Amin F. am 02. August 2022 in einem Hotelzimmer im Bahnhofsviertel von SEK-Einsatzkräften erschossen. Soner A. wurde am 22. Juni 2021 in seinem Wohnhaus in Frankfurt-Griesheim bei einem Polizeieinsatz getötet. Christy Schwundeck wurde am 19. Mai 2011 von einer Polizistin im Jobcenter Gallus erschossen.

Im Fall von Soner A. und Christy Schwundeck wurden die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen die Polizei ohne Konsequenzen eingestellt.

Dies sind nur einige von so vielen Menschen, die heute noch leben könnten, wenn anders auf ihre Krisensituation reagiert worden wäre.