Stellungnahme der ISD Frankfurt und von copwatchffm zum Abschlussbericht der Expert*innenkommission Hessen „Verantwortung der Polizei in einer pluralistischen Gesellschaft“

Vor kurzem wurde der Abschlussbericht der Expert*innen-Kommission zur Verantwortung der Polizei Hessen vorgestellt. Diese Kommission sollte die Situation der hessischen Polizei im Kontext von unerlaubten polizeilichen Datenabfragen und rechtsextremen Chats unabhängig bewerten sowie Handlungsempfehlungen für die Zukunft formulieren. Wir wurden von der Kommission als Expert*innen jeweils zum Austausch über die Unterstützung Betroffener eingeladen. 

Aus folgenden Gründen kritisieren wir die Umsetzung der Kommission als unzureichend rassismuskritisch und zu wenig sensibel mit Themen der Opferberatung oder Betroffenenschutz:

   1. Die  fehlende Anerkennung unserer Expertisen. copwatchffm wurde lediglich von einer Person angehört und unsere jeweiligen Expertisen wurden teilweise „verargumentiert“. Waren wir bemüht, lokale Probleme zu thematisieren und daraus Vorschläge für die Kommission abzuleiten, wurde uns z.B. durch eine (internationale) Studie unsere Expertise abgesprochen. Jedoch wurde mit keinem Wort auf die einschlägigen internationalen Studien von Human Rights Watch, Amnesty International oderOpen Society Justice zu Racial Profiling eingegangen. Zudem wurden die historisch größten globalen anti-rassistischen Proteste, die sich entlang von rassistischer Polizeigewalt entzündet haben, ignoriert.

   2. Die Intransparenz der Kommission. Es wurde kein Protokoll geschrieben bzw. an uns zur Sichtung weitergegeben.

   3. Den Fokus auf die Polizei, statt auf Betroffene. Um staatliche Machtstrukturen, die insbesonderearme rassifizierte und illegalisierte Menschen frühzeitigen Toden aussetzen, wirklich aufbrechen zu können und institutionellem Rassismus entschlossen entgegen zu treten, ist u.a. eine unabhängige Beschwerde- und Ermittlungsstelle für Betroffene von Polizeigewalt dringend notwendig. Leider zielten die Fragen der Kommission aber – wie so oft – auf Vorschläge, mehr Ressourcen in die Institution Polizei zu stecken. ISD Frankfurt und copwatchffm stehen dem entschlossen entgegen. Wir wollen nicht mehr Ressourcen in die Polizei stecken, wir wollen mehr Ressourcen für alternative Konzepte von Sicherheit und Gerechtigkeit.

   4. Das „Gesetz über die unabhängige Bürger- und Polizeibeauftragte oder den unabhängigen Bürger- und Polizeibeauftragten des Landes Hessen“. Dieses wird im Abschlussbericht als polizeiferne Instanz „gelobt“. Für uns besteht keine Unabhängigkeit, solange eine institutionelle und hierarchische Verbindung zum Innenministerium oder den diesen unterstellten Polizeibehörden vorliegt. Nötige Kompetenzen einer wirklich unabhängigen Ermittlung, wie z.B. das Recht auf Akteneinsicht oder die Vorladung von Zeug*innen, sind nicht gegeben und Perspektiven sowie Expertisen von betroffenen Personen und Selbstorganisationen, die seit Jahrzehnten gegen polizeilichen und institutionellen Rassismus kämpfen werden so nicht gestärkt, sondern erneut ignoriert. Dabei gehen wir davon aus, dass es einen Zusammenhang zwischen rechtsextremen Netzwerken in der Polizei und  institutionellem Rassismus gibt, denn so können rechtsextreme Netzwerke „florieren“.

5. Die unzureichende Anerkennung von institutionellem Rassismus. Der Ausstieg aus der Kommission von HateAid und dem Institut für Menschenrechte überrascht uns keineswegs. Im Abschlussbericht wollte institutioneller Rassismus als gesellschaftliches und damit auch polizeiliches Problem nicht genügend anerkannt und begegnet werden.

Die Zusammensetzung der Kommission, von Landespolizeipräsident bis Verfassungsschutz, ermöglicht keine antirassistische, polizeikritische Arbeit, die sich wirklich mit der Unterstützung von Betroffenen und dem Kampf gegen Rassismus auseinandersetzen will! „Unabhängigkeit“ bedeutet für uns, dass auch Initiativen aus der Zivilgesellschaft und genügend Personen mit einschlägiger Expertise mit Bezug auf das „Polizeiproblem“ aus rassismuskritischer Perspektive, Analysen des Rechtsextremismus sowie aus den Kämpfen gegen Rassismus und Rechtsextremismus von Beginn an eingebunden (und nicht nachträglich „eingeladen“ werden). 

Aber wir kämpfen weiter! 

Wir fordern: 

#Die Anerkennung institutionellen Rassismus auch innerhalb polizeilicher Behörden 

#Eine wirklich unabhängige Melde- und Ermittlungsstelle

#Abschaffung sogenannter gefährlicher Orte“ und anlassloser Kontrollen sowie eine Dekriminalisierung von Armut und Migration

#Solidarität statt mehr polizeiliche Ressourcen und Polizei!

#Den sofortigen Rücktritt des hessischen Innenministers Peter Beuth

We look out for each other!